Montag, 11. April 2011

Lionel Shriver: Wir müssen über Kevin reden.

Gerade hab ich das Buch fertig gelesen und die beiden letzten Kapitel waren, obwohl sich die story über den ganzen roman stetig aufgebaut hat, doch so überraschend entsetzlich, dass mir die Luft weggeblieben ist, ich ewig dafür gebraucht habe und jetzt wie betäubt bin…..
…trotzdem muss ich dem Zitat aus der Zeitschrift Brigitte recht geben, dass dieser Roman “psychologisch, philosophisch und nicht zuletzt literarisch brillant (ist)…Man jagt durch dieses Buch, will es weitergeben und empfehlen, noch bevor man es zu Ende gelesen hat - und danach erst recht.”
Kurz zusammengefasst versucht Eva in Briefen an ihren Mann herauszufinden warum ihr Sohn Kevin kurz vor seinem 16. Geburtstag 9 Menschen in seiner Schule getötet hat.
Schon kurz nach der Geburt stellt Eva fest, dass die “natürliche” Bindung zwischen ihr und Kevin nicht vorhanden ist - zu Beginn scheint dies für die Außenwelt nicht weiter schlimm, denn es gibt ein Wort dafür “prenatale Depression” - der Alptraum jeder schwangeren Frau. Doch auch im Laufe der nächsten Jahre stellt sich diese Bindung nicht ein - weder bei Eva noch bei Kevin. Shriver bricht mit dem Mythos “der wunderbaren, zärtlichen, engen Beziehung zwischen Mutter und Kind”.
Die Beziehung zwischen Vater und Sohn ist das genaue Gegenteil: sie unternehmen viel gemeinsam, sind richtige Kumpels und Kevin wird immer von Franklin verteidigt - doch der Schein der perfekten Beziehung wird von Shriver aufgedeckt: Franklin kennt seinen Sohn nicht, er lebt mit ihm einfach seine Vorstellung von der glücklichen Familie ohne Rücksicht auf die Realität und Kevin hasst und verachtet ihn dafür.
Die Autorin stellt Fragen, denen wir uns alle eigentlich nicht stellen wollen obwohl sie durchaus begründet sind: Was passiert wenn mein Kind von Geburt an keinen Sinn im Leben sieht? Was passiert wenn ich mein Kind nicht lieben kann? Was, wenn mich mein Kind nicht liebt? Wieweit ist die Persönlichkeit eines Kindes von Geburt an geformt und was wenn ich darauf keinen Einfluss nehmen kann? Was, wenn mein Kind “böse” ist und mir niemand glaubt? Was ist in unserer Gesellschaft ehrlich?
Shriver gibt niemandem die Schuld an der Tat Kevins, sondern versucht vielmehr ein dicht gewebtes Spinnennetz von Einflüssen und Auslösern darzustellen.
Bewunderung habe ich auch für die Autorin sich auf diesen Stoff soweit einzulassen.
Diesen Roman kann man nicht zusammenfassen sondern nur als wichtiges Buch, mit aktuellen Themen, dringend weiterempfehlen.
(alte Rezension)

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