Montag, 11. April 2011

Hosseini, Khaled: Drachenläufer



Im Mittelpunkt des Romans steht die Beziehung zwischen Amir und Hassan. 1975, bevor sowjetische Truppen in Afghanistan einmarschiert sind, ist Amirs Vater (Baba) eine erfolgreicher Geschäftsmann und ein überall geachteter Mann. Hassan ist der Sohn des langjährigen Dieners von Amirs Vater Ali und lebt gemeinsam mit ihm in einer einfachen Hütte im Garten von Baba. Baba fühlt sich den Beiden tief verbunden, würde sie aber nie als Freunde bezeichnen. Amir und Hassan sind Milchbrüder (d.h. von der gleichen Amme gestillt) und verbringen ihre Freizeit miteinander. Hassan wird von Amir als gutmütiger und untertäniger Mensch beschrieben, der absolut ehrlich ist und "...unfähig, einem anderen Wesen Schmerz zuzufügen."(S.16) Seinen Vater erfährt er als ehrbare, starke Persönlichkeit die sich die Welt nach den eigenen Vorstellungen formt. Vorstellungen denen Amir nicht gerecht werden kann. So bleibt ihm nichts anderes übrig als um die Achtung und Aufmerksamkeit des Vaters zu kämpfen. Jedes Interesse des Vaters für Hassan löst Eifersucht in ihm aus. Obwohl Hassan ein treuer und wichtiger Gefährte für Amir ist, beobachtet er sich selbst dabei wie er ihn bei jeder Gelegenheit durch Sticheleien demütigt.
Einen Wettbewerb im Drachensteigen zu gewinnen erscheint Amir als einzige Möglichkeit die Aufmerksamkeit des Vaters zu erlangen. Der Wettbewerb ist fast gewonnen, als Amir Hassan feige verrät. Der Verrat verändert das Leben beider und ihre Wege trennen sich. Mit dem Einmarsch der Sowjets spitzt sich die politische Situation in Afghanistan zu und Hassan flüchtet mit seinem Vater über Pakistan nach Amerika. Jahre später kehrt er in das vom Krieg zerstörte und von der Taliban kontrollierte Afghanistan zurück um sich seiner Vergangenheit zu stellen und seine Schuld zu tilgen.

Diese Ausgabe enthält einen Anhang für Lesekreise. Der Anhang enthält neben einem Interview mit dem Autor und Diskussionsfragen für Lesekreise (sollten nicht durch das Lesen des Romans genug Fragen bei den Leserinnen aufdrängen, brauchen wir wirklich Anleitungen um über ein Buch nachdenken zu können?) auch einen kurzen "Abriss der Geschichte Afghanistans". Dieser kurze Abriss fasst die Geschichte von 1747 bis zum 18.September 2005 zusammen. Obwohl der Anhang für den Lesekreis erst 2006 hinzugefügt wurde und es sich bei dieser Ausgabe um die 18. Auflage vom August 2007 handelt, wurden die jüngsten Ereignisse nur sehr oberflächlich angedeutet: "Besonders in den Südprovinzen hält die Gewalt gegen Regierungskräfte und ausländische - vor allem US-amerikanische und britische - Truppen an (vgl. http://www.spiegel.de/flash/0,5532,11722,00.html 14102007) und nimmt durch die Unterstützung von militanten Gruppen aus dem Ausland sogar zu. Es ist zu erwarten, dass sie infolge der Programme zur Drogenbekämpfung weiter eskalieren wird."(S.379) Es hat den Anschein, als wolle man durch aktuelle Fakten nicht zu sehr vom Ziel des Autors ablenken, den Lesern zu zeigen "...wie die Menschen in Afghanistan gelebt haben, bevor es den Krieg mit der Sowjetunion und die Taliban gab." (S.382). Dieses Anliegen ist Hosseini sehr gut gelungen und ich habe es als sehr erleichternd empfunden neben den täglichen Berichterstattungen, die nur Platz für Schreckliches haben und negative Gefühle hinterlassen, über Menschen, die nicht nur kategorisch als Opfer oder Täter dargestellt werden, und über Afghanistan als schönes und interessantes Land zu lesen.
(ältere Rezension)

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